Unseren letzten "Landausflug" haben wir in der Caleta Brecknock gemacht. Bevor der Regen und Starkwind es unmoeglich machen, lassen wir das Dingi zu Wasser und rudern an das Ende des Fjordes zu einem kleinen Strand. Durch die ueppige Vegetation und dicke wassertriefende Mooskissen, in denen man mehr als knoecheltief versinkt, finden wir einen Zugang zu einem hoeher gelegenen Plateau. Von hier aus kann man ueber Granitfelsen wandern und ist kurz darauf etwas ueber einem hoeher gelegenen Bergsee. Dahinter sehen wir weitere Seen, die noch weiter oben gelegen sind. Unerreichbar ohne zu klettern. Wir steigen noch etwas hoeher und koennen jetzt vom Berg aus auch die Caleta ueberblicken und sehen die kleine Bucht, in der wir PACIFICO "eingesponnen" haben, von oben. Auf dem Rueckweg zum Strand, wo das Dingi auf uns wartet, biegen wir zu frueh ab und landen in einem Pflanzendschungel. Farne, knorrige dickbemooste alte Baeume, wilde Azaleen und Rhododendren versperren uns den Weg und die Sicht. Letztendlich finden wir dann doch den Weg durch das Dickicht und fuehlen uns dabei, wie auf einer Expedition in einer unberuehrten Natur. Am Samstag Morgen hat der Wind nachgelassen und wir nutzen die Gelegenheit um jetzt weiter nach Norden zu reisen, Richtung Magallanstrasse. Unser Kompetenz-Zentrum in Hamburg hat uns eine Perlenkette von weiteren Wetter-Tiefs vorausgesagt, so dass es jetzt gilt jede Moeglichkeit weiter zu kommen zu nutzen. Etwas wehmuetig verlassen wir die traumhafte Caleta Brecknock, bisher einer der schoensten Plaetze um gut zu ankern. Werden wir in unserem Leben wohl noch einmal an diesen Ort zurueckkehren? Bis zum naechsten Ort, Puerto Eden, angegeben mit 280 Einwohnern, Tendenz sinkend, sind es noch ueber 400 Seemeilen durch die chilenischen Kanaele. Auf offener See eine Strecke, die gut in vier Tagen zu erreichen waere. Da wir hier nachts jedoch nicht segeln koennen, wetterbedingt und auch weil wir auf Sicht angewiesen sind, wissen wir nicht, wie lange wir brauchen werden. Die Zeit nimmt eine andere Dimension ein. Es zaehlen nicht mehr die Wochentage. Wind und Wetter und die naechste Ankermoeglichkeit, die ausreichend Schutz bietet gegen die vorwiegend auch noerdlichen und westlichen Richtungen starken Winde, bestimmen unser Zeitgefuehl. Und natuerlich auch die Frage des Tages: was essen wir heute??? Unsere Vorraete an frischen Obst und Gemuese halten sich im Vorschiff sehr gut, da es dort kalt und nicht zu trocken ist. Wir kochen in der Regel zweimal am Tag: an Seetagen mittags eine heisse Gemuesesuppe, die gut durchwaermt, und abends Fleischgerichte oder hausgemachte Pizza. Zudem steigt unser Tee-Konsum an sehr kalten Tagen bis auf 6 Kannen taeglich. Nicht nur fuer die innere Waerme, sondern auch um sich die kalten Haende zu waermen đ Es sind wirklich sehr wenige Schiffe und Boote, die wir unterwegs treffen. Segler so gut wie gar nicht. Den letzten Segler haben wir im Kanal OBrien gesehen. Am heutigen Samstag, als wir wieder in den Kanal Cockburn zurueckkehren, und zunaechst Richtung Osten an vielen Inseln vorbei segeln, treffen wir mehrere Fischer und auch einen kleinen Frachter. Die Leute gruessen und winken. Die ersten Menschen, die wir nach den Fischern in der Caleta Silva wieder sehen. Es ist kaum vorstellbar, wie weit wir von einer wirklichen Zivilisation entfernt sind. Internet ist zu einem Fremdwort geworden. Nachrichten von Freunden werden wir erst in einigen Wochen wieder beantworten koennen. Die wenige bezahlte Zeit ueber Seamail reicht gerade fuer die Familie, unser Kompetenz-Center und Wetterberichte. Und auch das ist nicht jederzeit moeglich und man muss auf eine gute Verbindung warten,es mehrmals, meist abends, versuchen, bis ein Empfang hergestellt werden kann. Es ist ein relativ sonniger Tag. Auch die Seerobben scheinen diesen Tag zu geniessen. Immer wieder sehen wir sie aus dem Wasser springen. Die kleinen Robbengruppen sehen aus, als wuerden sie immer Wasser mit einander spielen und tanzen. Ab und zu tauchen sie auch direkt neben dem Boot oder in unserem Kielwasser auf. Neugierig stecken sie ihre Koepfe aus dem Wasser und beobachten uns, die fremden Besucher. Bis zum Ende der Magallanstrasse werden die lustigen Kerle immer wieder zu sehen sein und wir freuen uns, wie zahlreich sie hier sind. Bei guter Sicht finden wir die Einfahrt in den Kanal Acwalisnan und Seno Pedro. Wir sind hier, mehr als sonst, auf die Angaben im Buch angewiesen, da der Kanal nicht vermessen ist und nicht weiter kartografiert. Uebrigens wird es wohl deshalb seitens der chilenischen Armada nicht so gern gesehen, wenn man diesen Weg nimmt, um in die Magallanstrasse zu kommen. Wir arbeiten uns nach dem Buch vor, beachten die Tiefenangaben dort, gleichen sie mit unserer Position ab, um uns dann entsprechend links oder rechts vom Kanal zu halten. Es gibt flache Stellen mit Stromschnellen, kleine Inseln und Felsen, die zu umschiffen sind. Hinter der naechsten Kanalinsel taucht unvorhergesehen der Mast eines Seglers auf. Und wie immer seit der Caleta Horno, heisst es wie bei jeder entlegenen Strecke oder Ankerplatz "das ist bestimmt die MANTA!!!", der finnische Segler mit der Sauna an Bord. Der Segler laeuft unter Motor und kommt uns mit schneller Fahrt entgegen. Im Gegensatz zu uns, hat er die Stroemung mit sich und rauscht an einer besonders engen Stelle foermlich an uns vorbei. Und diesmal ist es tatsaechlich die MANTA, die wir seit Puerto Deseado nicht mehr gesehen haben. Offenbar haben sie den Weg durch die Magallanstrasse genommen und sie haben jetzt den Wind mit sich in Richtung Ushuaia. Ein Moment des froehlichen Winkens und Gruessens – dann sind sie vorbei. Am spaeten Nachmittag entscheiden wir uns, in der offenen Bucht der Caleta Felix am Seno Pedro zu ankern, nur etwa 7 Seemeilen vor der Magallanstrasse. Der Ankerplatz ist diesmal nicht gegen alle Winde geschuetzt, aber wir erwarten eine ruhige Nacht nach diesem schoenen Tag. In der Bucht gibt es viele Seevoegel, das Wasser ist klar und ruhig. Wenige Meter hinter dem Heck steigt eine Felswand empor, die dicht bewachsen ist. Jetzt noch bluehen die Pflanzen in gelb und pink. Im Fruehjahr muss es dort ein noch mehr bunter, duftender Anblick sein. Es ist dazu fast windstill. Bei unter 10 Auentemperatur sitzen wir noch bis in die Dunkelheit draussen im Cockpit und erleben hier die wunderbare und urspruengliche Natur Suedamerikas. An der Magallanstrasse erwartet uns zum ersten Mal der Blick auf Wale, die in der Ferne auftauchen und blasen. Leider kommen wir nicht naeher heran. Es erwartet und aber auch ein boeiger Nord-West-Wind. Also muessen wir mal wieder, wenn wir segeln wollen, gegen an kreuzen. Die Magallanstrasse ist an dieser Stelle ziemlich breit und fuer einen Schlag brauchen wir ueber eine Stunde Dabei ist der Winkel manchmal so schlecht, dass wir kaum wirklich voran kommen. Es ist kalt und regnerisch, die Sicht entsprechend schlecht. Mehrfach ueberlegen wir umzukehren und die erste Ankermoeglichkeit an der Stelle zu nehmen, an der wir auf die Wasserstrasse gekommen sind. Bis zur naechsten Ankermoeglichkeit sind es doch immerhin noch 12 Seemeilen. Aber irgend etwas treibt uns doch voran und eben nicht zurueck, so dass wir dann am spaeten Nachmittag in die Bahia Gallant einlaufen. Die Zufahrt ist ziemlich eng durch eine Sandbank, die weit in die Bucht hinein reicht. Konzentriert suchen wir den Weg in die geschuetzte Bucht, in der wir dann frei ankern koennen und keine Landleinen benoetigen. Ploetzlich zeigt das Lot in schneller Folge nur noch Wassertiefen von 1,80 m, 1,70 m, 1,60 m … Bei 1,50 m aendern wir die Richtung. Es wird wieder tiefer. Gerade noch einmal Glueck gehabt! Nicht aus zu denken, wenn wir uns hier fest gefahren haetten. Bei der Ausfahrt am naechsten Tag ist Ebbe und ueber den Plotter sehen wir, wo wir ueber die Sandbank geschlittert sind đ Die Bahia Gallant bietet Schutz vor alLen Winden, aber man bekommt die Williwaws zu spueren, starke Windboen, die die umliegenden Berge herunterjagen und schnell mal um die 40 Knoten sein koennen. Gleich danach ist es wieder ruhig und der Spuk vorbei. Fuer uns ist die Bahia Gallant in seiner Weite und in der flachen Ebene vor den Bergen eher ein angenehmer Rastplatz, als ein landschaftlicher reizvoller Ankerplatz. Und so freuen wir uns auf spektakulaere Ankerplaetze an der Magallanstrasse, die noch auf uns warten. Z.B. die Caleta Campamento an der Isla Spider, zwischen Insel und winzig-Insel, wo wir uns nur mit Leinen einspinnen und wohin wir, nach einem gescheiterten Versuch weiter zu kommen, aufgrund der Starkwinde auch noch ein zweites Mal festmachen. Die Caleta Playa Parda Chica, wo wir rueckwaerts in eine schmale Landenge einfahren und wo das Wasser so klar ist, dass wir Muscheln und Seesterne auf den Steinen sehen koennen. Die Caleta Mostyn, wo wir am Ende des Fjordes in einer gigantischen Berg-Kulisse in tiefem klaren Wasser ankern und mit drei Landleinen festmachen und zwei weitere Tage bleiben, um ein zweites Mal die Heizung zu reparieren, die zwei Tage vorher ihre Taetigkeit eingestellt hat, und schweres Wetter ab zu warten. Wer das scheusslichste Wetter der Welt sucht, der wird es in der Magallanstrasse finden. Das ist es, was es so schwierig macht voran zu kommen. Fuer unseren Absprung in Richtung Norden und Einfahrt in den Kanal Smyth benoetigen wir unbedingt gute Windverhaeltnisse, damit es klappen kann. Sonst haengen wir im Puerto Tamar, am Eingang der Magallanstrasse fest. Wir starten unsere hoffentlich letzte Etappe von der Caletta Mostyn aus morgens um 5.00 h. Es ist noch stockdunkel. Die schwierigste Stelle ist die nur knapp 50 m breite Durchfahrt in den Hauptarm des Fjordes. Den Weg von fast einer Stunde zurueck zur Magallanstrasse steuern wir nach unserer Einfahrtslinie auf dem Plotter. Die Berge um uns herum sind nur schemenhaft zu erkennen. Es ist fast windstill. Wir wissen, dass es so nicht bleiben wird und hoffen, dass die Zeitangaben unseres Wettergrips in etwa stimmen werden. Der Wind kommt zunaechst moderat aus Nord-Nord-Ost. Der richtige Wind, um in Richtung der Insel Tamar zu segeln, unserem Wendepunkt nach Norden zum verlassen der Magallanstrasse und um in den Kanal Smyth einzufahren. Die Strecke ist besonders schwierig, da hier die Magallanstrasse in den offenen Pazifik muendet und auf dieser Strecke Wind und Stroemungen extrem gegen uns sind. In unserem Buch beschreiben Segler, dass sie 9 bis 12 Tage warten mussten, um ueberhaupt den Puerto Tamar zu erreichen. Der moderate Wind wird immer boeiger und der Windanzeiger zeigt dann auch schon mal wieder 28 Knoten. Wenn er nicht rechtzeitig dreht, segeln wird entweder zu den Osterinseln oder zurueck zum Puerto Tamar. Kurz vor 11.30 beginnt der Wind tatsaechlich zu drehen, wie bestellt! đ Wir rauschen Richtung Kanal Smyth und erreichen zwei Stunden spaeter unser "hochgestecktes" Ziel. Beim Abendessen in der Caleta Teokita, die parallel zum Kanal Smyth liegt, freuen wir uns immer noch, dass wir den Absprung und diese schwierige Strecke so gut geschafft haben.