Im Puerto Borracho wettern wir einen Tag ab, bevor es weiter gehen kann. Draussen auf dem Beagle sehen wir nur weisse Schaumkronen. Der Wind stuermt aus Nord-West dahin, was uns ein vorankommen auf dem Kanal unmoeglich machen wuerde. Der Puerto Borracho ist eine zum Beagle Kanal offene Bucht, voellig windgeschuetzt. Das Ufer ist leicht mit dem Kajak zu erreichen und laedt ein zu einem kleinem Landausflug ein. Die Farbe des Wasser hatte sich auf den letzten Meilen geaendert. War es vorher noch grau und dunkel, wie der von Wolken verhangene Himmel, wirkt es jetzt mehr wie ein smaragdgruen. Und in der Bucht ist es so klar, dass man die Muscheln in 5 m Tiefe unter PACIFICO deutlich erkennen kann. Wir bedauern nur, dass die Wassertemperatur von etwas ueber 9° nicht gerade zum baden einlaedt đ
Als es am naechsten Morgen ruhiger ist, machen wir uns auf, unser letztes Stueck im Beagle Kanal zu durchfahren, bevor wir quasi rechts abbiegen in den Brazo Noroeste. Wir haben gehoert und gelesen, dass hier, wenige Seemeilen nach Ushuaia, die ersten Gletscher auftauchen sollen und sind schon sehr gespannt darauf. Eine wirkliche Vorstellung, wie es sein wird, haben wir nicht.
Und dann sehen wir oben in den entfernten Senken der Bergspitzen ist es nicht nur Schnee, wie wir es schon von den Bergen links und rechts vom Beagle kennen, sondern dichtes Gletschereis, dass in Richtung Tal strebt. Je weiter wir kommen, je tiefer kommen die Gletscher. Auf der Karte sehen wir, dass direkt hinter der Bergkette entlang unserer Route sich das Gletschereis ueber viele Meilen dahinzieht. An einigen Stellen kommt das Eis dem Kanal so nahe, dass die blaeuliche Faerbung und die zerkluefteten Spitzen gut zu erkennen sind.
Kurz bevor wir den Zugang zu unserem Tagesziel, dem y-foermigen Fjord Seno Pia erreichen, sehen wir das erste verirrte Treibeis im Wasser schwimmen.
Bei der Einfahrt in den Seno Pia stuetzen wir uns auf die Navigationsangaben im Handbuch, da auf dem Plotter die GPS-Daten und Karte nicht mehr uebereinstimmen. Wollte man dem glauben, haetten wir im Puerto Borracho hoch und trocken auf dem Land gelegen. Die Differenz zur Karte betraegt fast eine Seemeile. Die Sicht ist gut und so haben wir kurze Zeit spaeter die flache Stelle problemlos ueberquert und befinden uns wieder im tiefen Wasser. Wir wollen im oestlichen Arm des Fjordes in einer geschuetzten Bucht ankern und am naechsten Tag den als „Avenue der Gletscher“ geruehmten Seno Pia weiter erkunden. Treibeis! Und nicht nur einzelne Stuecke! Im Fjord scheint davon einiges herum zu schwimmen und einzelne Stuecke werden wohl auf den Kanal hinaus getrieben. Wir halten uns so gut es geht fern davon und sind fasziniert, von den Kunstwerken, die dort vor uns im Wasser schwimmen: bizarre Formen wie Skulpturen in weiss, manchmal blaeulich schimmernd oder auch glasklar.
Der oestliche Arm scheint zunaechst frei davon zu sein, so dass die Fahrt ungehindert Richtung Ankerbucht gehen kann. Beim umrunden der ins Wasser ragenden grossen Felsnasen oeffnet sich der Blick auf den ersten Gletscher, der hier dem Tal zustrebt bis ans Wasser heran. Ein unglaublicher Anblick, gewaltig und faszierend zu gleich.
Wir finden die beschriebene Ankerbucht, in der bereits ein franzoesisches Boot liegt. Auch die Franzosen wollen sich, wie wir, am naechsten Tag die Gletscher naeher ansehen.
Am naechsten Morgen ist der Himmel wieder von Wolken verhangen. Manchmal schauert es. Wir machen uns trotzdem auf den Weg, und auch das franzoesische Boot scheint sich vom Wetter nicht abhalten zu lassen. Sie fahren auf den Gletscher gegenueber unserer Ankerbucht zu, waehrend wir dem Arm des Fjordes weiter folgen. Die Fahrt geht zwischen bewachsenen Felswaenden hindurch, die gelegentlich von rauschenden Wasserfaellen, die in den Fjord stuerzen, unterbrochen werden und rauhen Felsnasen, die tief ins Wasser tauchen. Wir sind es gewohnt, dass der Tiefenmesser haeufig nichts anzeigt, da er bei ca. 185 m Wassertiefe abschaltet. Hier jedoch fuehrt er ein Eigenleben und zeigt Tiefen ueber 240 m an. Je weiter wir vorankommen, je mehr Eis treibt im Wasser. Ein Zusammenstoss mit dem Eis ist jetzt nicht immer mehr zu vermeiden. Laut krachend schlaegt es an die Bordwand. Der Kontrollblick zeigt jedoch keine Schaeden. Wir versuchen zumindest den groesseren Schollen aus zu weichen, damit sie sich nicht unter am Bug verfangen und bis hinter zum Kiel schieben und dramatisch Krach schlagen. Wir fahren nur noch mit langsamer Kraft und nach und nach gewoehnen wir uns an die Geraeusche, die das Eis verursacht, wenn es mit PACIFICO kollidiert. Das Eis wird immer dichter, nur wenige aufgelockerte Flächen sind vor uns zu sehen. Wir stoppen auf und gleiten an eine besonders grosse Eisscholle. Ehe man sich versieht ist Hermann aussenbords und steht auf der Scholle. „Mal sehen ob die mich traegt!“ Und sie traegt!!! đ
Und dann kommt vor uns ein riesiges Gletschermassiv in Sicht. Zu den Geräuschem des Eises und der Wasserfaelle kommt jetzt noch ein lautes Krachen, deren Ursache zunaechst nicht auszumachen ist. Erst als wir nahe am Gletscher dran sind, erkennen wir, dass es von herab fallenden Eismassen kommt, die hier in den Fjord stuerzen. Da jetzt auch kurz einmal die Sonne hervorkommt, beschliessen wir noch etwas zu bleiben und bei einem heissen Tee den Blick auf dieses gewaltige Naturereignis zu geniessen. Es bietet sich uns ein unglaubliches Schauspiel. Vor uns stuerzt ein Teil einer Gletscherwand tosend in den Fjord. Tonnen von Eis erzeugen eine Flutwelle, die nur von den schon auf dem Wasser schwimmenden Eismassen gebremst wird. Es ist ein fantastisches Erlebnis, dass nur schwer in Worte zu fassen ist. Immer wieder loesen sich kleinere und groessere Teile des vor uns liegenden blau und weiss leuchtenden Gletschermassives, die dann laut krachend in den Fjord stuerzen. Es faellt uns schwer uns von diesem Anblick zu trennen, doch wir wollen uns auch noch den Gletscher im Westarm des Seno Pia ansehen, der noch beeindruckender sein soll. Kaum vor zu stellen.
Wir muessen zurueck bis fast zum Eingang des Seno Pia um in den Westarm zu gelangen. Unterwegs nutzen wir die Gelegenheit noch Eis zu fischen, mit dem wir unseren defekten KĂźhlschrank fĂźllen. Eine gute Alternative um den Inhalt frisch und eben kalt zu halten.
Im Westarm kommt uns das franzoesische Boot entgegen. Wir sind froh, dass sie uns nicht gefolgt waren und wir ganz allein den ersten Teil unser Expedition erleben konnten.
Die im Wasser treibenden EisstĂźcke und Schollen sind hier groesser und die Fahrt wird dadurch anstrengender. Letzendlich soll PACIFICO keine Schäden davontragen. Die Lady ist schliesslich nicht als Eisbrecher gebaut worden. Aber der Weg lohnt sich. Das Gletschermassiv ist noch groesser und gewaltiger. Es brechen unter unseren Blicken riesige Eismengen in den Fjord. „Ganz grosses Kino!“
Der Rueckweg zur Ankerbucht wird dann doch anstrengend, weil das Treibeis jetzt fast bis zum Eingangsbereich reicht und die grossen Eisstuecke nur eine sehr langsame konzentriete Fahrt zu lassen.
Am Ende des Tages, als wir wieder vor Anker liegen, sind wir uns einig, das dieser Tag einer der eindrucksvollsten unserer Reise sein wird.