Unsere Nacht in der Caleta Victoria verlaeuft weniger ruhig als erwartet. Spaet abends kommt noch ein weiteres, also mittlerweile das vierte, Fischerboot in die Caleta. Waehrend wir die Manoever der anderen Boote, die bei uns jetzt laengsseits liegen, kaum bemerkt hatten, werden wir jetzt aufmerksam, durch einen hochtourigen laufenden Dieselmotor. In der Dunkelheit will das Boot laengsseits gehen, stellt aber dann fest, das alle Liegeplaetze belegt sind. Die anderen Fischer nehmen es gelassen. Es ist eben kein Platz mehr. Kurz bevor wir schlafen gehen wollen, geht ein Ruck durch PACIFICO, ein lautes Geraeusch von achtern und im Hintergrund wieder wildes Motorengeheul. Aufgeschreckt sehen wir nach, was passiert ist. Der Nachzuegler hat das ueber die Bucht gespannte Tau, an dem wir alle liegen mit seiner Schraube geschreddert und zerrissen und jagt jetzt mit Volldampf auf die anderen Fischerboote zu, waehrend PACIFICO, jetzt der stabilen Lage beraubt, anfaengt zu driften. Kurzes Geschrei der anderen Fischer, die schon Sorge um ihre Schiffe haben, bremsen den Chaoten. Insgesamt nehmen sie die Situation jedoch erstaunlich gelassen: der Chaot waere eben nur betrunken! Nach kurzem Hin uns Her wird PACIFICO zusaetzlich an einem der beiden groesseren Boote festgemacht, der chaotische Fischer legt sich hinter die anderen Boote und nach einer halben Stunde ist wieder Ruhe. Und wir etwas verwundert, wie das hier so laeuft đ
Am naechsten Morgen machen wir uns, kurz nach den Fischern, auch auf den Weg. Kaum sind wir aus der Caleta, hoeren wir komische Geraeusche aus dem Motorraum. Also zurueck in die Caleta um nach zu schauen. Da das Haltetau ja nicht mehr da ist, gehen wir vor Anker. Es ist der Keilriemen, der nachgespannt werden muss. In Port Montt wird es dann einen neuen geben. Aber erst einmal kann es weiter gehen.
Gut eine Stunde spaeter fahren wir in den Canal Colling Wood ein und haben dann mal wieder muntere Begleitung einer kleinen Gruppe von Delfinen. Auch Robben tauchen dann und wann auf. Uns wird nie langweilig, ihnen zu zuschauen und wir werden nicht muede uns an so einer Begleitung zu freuen. Das Wetter ist annehmbar und der Wind so guenstig, dass wir gute Strecke nach Norden segeln koennen, vorbei an der Isla Newton. Und natuerlich bleibt es nicht so und man kann es sich ja schon denken: der Wind dreht mal wieder und frischt auf. In den letzten Wochen haben wir gelernt, die unterschiedlichen Grautoene des auf uns zukommenden Wetters zu differenzieren und ein zu schaetzen. Meistens koennen wir schon gut erkennen, ob es heftig wird und man Schutz suchen sollte, oder ob das, was da kommt, nur vorueber gehend ist und wir weiter segeln koennen. Jetzt haengen die dunklen Wolken tief ueber dem Kanal. Zum greifen nah. So nah, das Fetzen der Regenwolken in Augenhoehe vorbei fliegen. Wir kreuzen bei Boeen bis zu 35 Knoten auf dem Kanal Sarmiento nach Norden und nehmen dort die erste gute Moeglichkeit fuer die Nacht vor Anker zu gehen in der Caleta Balandra. Vom Zick-Zack-Kurs auf dem Plotter haben wir ein Foto gemacht. Kreuzen vom Feinsten đ Die Caleta Balandra ist eine durch vorgelagerte Inseln geschuetzte Bucht, in der wir uns in der hintersten Ecke ein traumhaft schoenes Plaetzchen suchen. Dicht bewachsenes Ufer mit einem kleinen Strand, dahinter die, wegen der Pazifiknaehe schon weniger hohen Felsen mit einem Wasserfall. Auch hier ist das Wasser klar bis auf den Grund. Vorteilhaft ist ausserdem, dass wir von hier aus den Kanal Sarmiento monitoren koennen, der am naechsten Morgen immer noch weisse Wellenkaemme hat von dem immer noch starken Wind aus noerdlichen Richtungen. Es ist dann schon Mittag, als es sich endlich beruhigt und wir weiter koennen.
Wir wollen baldmoeglichst Puerto Eden erreichen, da wir uns mittlerweile Sorgen machen, wie weit wir wohl noch mit dem Diesel in unserem Tank kommen werden. In Puerto Eden soll es meistens Diesel geben. Die Betonung liegt auf „meistens“. Vorsichts halber schreiben wir die Armada per Mail an, um Diesel vorzubestellen. Wir brauchen ja immerhin 400 Liter! Also nutzen wir auch diesen Nachmittag, um weiter nach Norden zu kommen. Wenige Stunden spaeter suchen wir die schwer zu findende Einfahrt zur Caleta Moonlightshadow. Wer hier wohl Namensgeber war? Nun es gibt hier noch freies Potential fuer fantasievolle Namensgebungen. Inseln, Fjorde und Kanaele, die nach wir vor unbenannt sind und auch teilweise noch nicht vermessen wurden. Hier kann man offenbar zum Namensgeber werden, wie die Schwestern DardĂ©. Nach ihnen wurde die Bucht im Kanal Smyth benannt, in der wir einige Tage und Naechte abgewettert haben.
Die Caleta Moonlightshadow zieht sich 2 Seemeilen ins Landesinnere in flacher Umgebung und gehoert wie die Caleta Balandra zur Insel Piazzi. Nur wenige Seemeilen nord-westlich kommt man ueber den Nelson-Strasse schon in den Pazifik.
Kaum sind wir in die Caleta eingefahren haben wir wieder Delfin-Begleitung. Eine Mutter mit ihrem Jungen, das knapp halb so gross ist, wie sie selbst. Wir sehen sie am naechsten Morgen noch einmal wieder, draussen vor der Caleta auf dem Kanal, in einer grossen Gruppe weiterer Delfine, die immer wieder springend auf uns zu schwimmen. Ungewoehnlich fuer uns, da wir bisher nur erlebt haben, dass die Delfine meist hinter PACIFICO auftauchen und uns dann neben und vor dem Bug spielerisch begleiten.
Wir haben grosse Plaene fuer diesen Tag. Auch wenn wir nicht segeln koennen, wollen wir den heute wenigen Wind, der nach wir vor noch aus Norden kommt, nutzen, um moeglichst viel Strecke zu machen. Am noerdlichen Horizont sehen wir einen blauen Streifen Himmel, der uns magisch anzieht. Die Fischer hatten uns gesagt, das Wetter wuerde die naechsten Tage besser werden und der Wind auch etwas auf Sued-West drehen. Auch unsere Wetter-Grips und Hamburg bestaetigen diese Vorhersagen. Wenn es wirklich zutreffend ist, koennten wir in drei Tagen in Puerto Eden sein. Der ersten Zivilisation nach Puerto Williams, also nach ungefaehr vier Wochen. Und tatsaechlich geht es gut voran. So gut, das wir uns schon bremsen muessen. Das heisst, nicht zu weit zu fahren und damit zu riskieren, erst bei Dunkelheit an einem geeigneten Ankerplatz an zu kommen. Dabei ist es zu verlockend bei Sonne und fast Windstille nicht einfach weiter zu fahren. In der Naehe der Caleta Vappu, in der wir dann vernueftiger Weise ankern und uebernachten wollen, sehen wir ein weisses Fischerboot. Es sind noch ungefaehr 4 Seemeilen bis dorthin. Da wir unseren Merlusa schon verzehrt haben, wollen wir bei den Fischern wieder nach Fisch fragen. In der Hoffnung, dass sie noch etwas in der Gegend bleiben, halten wir auf sie zu. Gut eine Meile vor dem Boot kommt uns das im Sonnenschein auf die Caleta zu fahrende Boot dann doch etwas merkwuerdig vor und wir nehmen noch einmal das Fernglas. Es ist kein Fischerboot. Es ist eine riesige Eisscholle!!! Im spiegelblanken Wasser treibt das „Eis-Boot“ mit der Stroemung. Weit und breit kein anderes Eis. Wahrscheinlich hat sie es aufgrund ihrer Groesse vom Gletscher in einem entfernter liegenden Seno bis hierher geschafft. Wir sind allerdings dann doch etwas enttaeuscht, weil es nun keinen Fisch zum Abendessen gibt đ
In der Caleta Vappu fahren wir direkt an die Klippen heran, steigen aus und machen an einem Baum fest. Zusaetzlichen lassen wir noch den Anker fallen. Das Wetter ist noch so schoen, das wir im Cockpit zu Abend essen und dabei das Gefuehl haben, wir sitzen auf einer Terrasse im gruenen Garten.
Am naechsten Tag ist Sonnenbaden angesagt. Wenn man soviel Wind und Regen und Kaelte hatte, wie wir in den letzten Wochen, kann man sich sicherlich vorstellen, was das fuer ein Genuss ist. Windstille! Also nicht gegenan kaempfen. Die warme Sonne, das herrliche Panorama der Berge, der Inseln, der Kanaele geniessen. Gut voran kommen. Am Nachmittag erwartet uns noch etwas ganz besonderes. Whale-Watching! Zunaechst sehen wir die Wale nur aus sehr weiter Entfernung und erkennen sie nur an dem Blas, den sie beim Atmen meterhoch in die Luft spruehen. Und dann wird es mehr. Scheinbar sind ganze Gruppen von Walen hier in den Kanaelen Conception und Wide in oder aus Richtung Pazifik unterwegs. Wir hoffen auf einen Wal in unserer Naehe. In knapp einer halben Meile Entfernung sehen wir dann auch einen Wal auftauchen und, kurz bevor er wieder weg ist, noch die weisse Unterseite seiner Schwanzflosse. Nach den uns vorliegenden Zeichnungen muesste es ein Finn-Wal gewesen sein. Fuer ein Foto reichte es leider nicht.
Nur noch eineinhalb Tage bis Puerto Eden. Diesel tanken und frische Vorraete einkaufen. Obst und Gemuese sind fast zu Ende. Fuer eine letzte Uebernachtung vor Puerto Eden waehlen wir die Caleta Dock. Hier koennen wir ankern ohne Landleinen, zumal wir ohnehin kein schweres Wetter erwarten. In der Daemmerung laeuft ein weiterer Segler in die Caleta ein, die Suditude aus der Schweiz. Wir werden sie am naechsten Tag auch in Puerto Eden sehen, einige Tipps und Informationen erhalten und erfahren, dass sie auch zu den Marquesas unterwegs sind, dann aber ueber Hawaii nach Alaska wollen.
Am Dienstag, den 24.3., treten wir bei schoenstem Wetter die letzten Meilen nach Puerto Eden an. Unterwegs sehen wir Robben und wieder Wale. Diesmal gluecken sogar einige Fotos. Im Kanal Wide treiben auch vermehrt grosse Eisscholen. Gelegenheit fuer Hermann, noch einmal auszusteigen und das Gefuehl, auf einer Eisscholle zu stehen, zu erleben. Mit Hammer und grossem Messer pickern wir Eis von der gewaehlten Scholle fuer unseren defekten Kuehlschrank, da wir ja in Puerto Eden Fleisch einkaufen wollen, das kuehl gehalten werden muss.
Hinter ein paar Inseln im Kanal liegt auf der Isla Wellington Puerto Eden. Der erste Ort seit Puerto Williams. Ein Fischerdorf. In unserem Fuehrer beschrieben als ein Ort mit mehreren Geschaeften und einer Einwohnerzahl von 280, Tendenz sinkend. Vor uns sehen bunte Haeuser an der Kueste entlang. An einer Bruecke mit grosser Rampe fahren wir in die Hafenbucht ein und beschliessen an einer freien Bruecke anzulegen. Wir werden von zwei Maennern begruesst, die bestaetigen, dass wir hier festmachen koennen, da PACIFICO nur 1,45 m Tiefgang hat. Ob wir Wasser brauchen, ob wir duschen wollen oder sonst etwas benoetigen? Diesel. Wir brauchen Diesel. Ja, gibt es. Morgen Mittag. Der Preis liegt etwa bei 190 Prozent des normalen Preises. Man haette ja schliesslich auch die Transportkosten zu tragen. Nach unseren Informationen ist der jedoch kostenlos. Die Frage nach einem Restaurant, denn wir wollen abends gerne Essen gehen, erntet Gelaechter. Nein, so etwas gibt es nicht. Es gibt auch keinen Strassen. Nur einen Bohlenweg an der Kueste entlang, um zu den Haeusern zu gelangen. Und einen Bohlenweg ueber den Berg an der Satelitenstation vorbei und als Abkuerzung zur anderen Seite, damit man nicht auĂen herum laufen muss. Es gibt tatsaechlich mehrere Geschaefte, zum Teil jedoch geschlossen, mehr Stubenlaeden, mit wenig Angebot. Nur das Noetigste. Kaum Obst und Gemuese. Nach Fleisch fragen wir gar nicht erst. Am naechsten Tag kommt die Faehre aus Port Montt. Dann gibt es Obst und Gemuese. Aber man muss rechtzeitig da sein, denn es ist immer nach kurzer Zeit ausverkauft. Die Faehre kommt einmal die Woche aus Port Montt und einmal die Woche, dann auf der Rueckfahrt, von Puerto Natales. Das war es. Kein Geldautomat. Kein WiFi. Zumindest keines das fuer uns funktioniert, wie wir gehofft hatten. Was es reichlich gibt sind Hunde und Katzen. Ein riesiges Werbeplakat, dass hier Massnahmen zur Entwicklung des Ortes erfolgen. Eine im Verhaeltnis riesige Schule mit einer Aula, in der bequem 250 Leute Platz haben, fuer vier Kinder, die hier unterrichtet werden. Und nur noch 165 Einwohner. Die Dorfbewohner, die wir unterwegs treffen, sind durchweg nett, hilfsbereit, freundlich und gruessen uns.
Wir bemuehen uns am naechsten Tag unseren Bedarf an Obst und Gemuese einzukaufen, zu horrenden Preisen fuer das wenige, dass wir bekommen, und nehmen 400 Liter Diesel am Anleger ab, mit dem guten Gefuehl, mit der Menge bis Port Montt zu kommen. Den Preis nehmen wir so hin. Aendern koennen wir daran sowieso nichts. Kurz nach 15.30 h legen wir dann in Puerto Eden ab Richtung Norden. Wir wollten eigentlich laenger bleiben, nur gab es nichts weiter, fuer dass sich das gelohnt haette.
Die Nacht fahren wir durch, um den vorerst letzten Tag des guten Wetters zu nutzen, und den Golfo de Penas zu ueberqueren. Hier schwimmt PACIFICO das erste mal im Pazifik-Wasser! Der Wind ist noch nicht zurueck. Dafuer dichter Nebel. Vorbei fahrende Schiffe sehen wir nur auf dem Plotter, obwohl sie kaum 1,5 Seemeilen entfernt sind. Die Sicht liegt bei der Ueberquerung dieses mit 100 m Tiefe sehr flachen Gewaessers teilweise unter 100 m. Dazu die Duenung des Pazifiks. An anderen Tagen, vor allem bei Westwind, wird vor den Gefahren dieses Gewaessers gewarnt. Da soll der Seegang betraechtlich sein, eben weil hier der Pazifik innerhalb von knapp 20 Seemeilen von ein Wassertiefe von ueber 3.000 m auf 100 m ansteigt. Wie Brandung am Strand!.
Wir gehen nachmittags in einer grossen geschuetzten Bucht, wie ein See, der Caleta Barroso auf der Peninsula Tres Montes vor Anker und werden hier die naechsten Tage auf geeignetes Wetter warten, um die Halbinsel zu umrunden und ueber den Pazifik Richtung Norden in den Kanal Darwin zu segeln.
Die Temperaturen liegen hier tagsueber schon einmal bei 17 Grad, das Wasser schon bei fast 16 Grad. Grund genug unsere mehrfach reparierte Heizung zu schonen und auch schon mal wieder draussen im Cockpit zu duschen.