Pacific – unter den Wolken – vom 23.4. bis 3.5.2016

Einen Tag spĂ€ter, als geplant, verlassen wir bei schönstem Wetter Neuseeland. Unser Kurs 60° Nord-Ost zu einem etwa 140 Seemeilen sĂŒd-östlich der Kermadec Inseln angenommenen Wendepunkt, ab dem es dann nach Norden Richtung Tonga geht. Wir hoffen, dass diese Route uns aus den ungĂŒnstigen Winden Neuseelands heraus und in die gĂŒnstigeren Passat Winde hinein bringt, die dann bestĂ€ndiger aus östlichen Richtungen wehen. Tonga im Kurs direkt anzulegen hĂ€tte bedeutet etwa 10 Tage, sehr mĂŒhsam, hoch am Wind zu segeln. Also etwas gemĂŒtlicher und wir haben ja Zeit.

Als es Nacht wird sehen wir die letzten Inseln Neuseelands, die letzten Lichter, dann nur noch der Pacific. Wir mĂŒssen uns wieder gewöhnen an den nĂ€chtlichen Wach-Schlaf-Rythmus (Hermann) und unseren Tagesablauf auf See. Die erste Nacht verlĂ€uft dann auch sehr unruhig. StĂ€ndig meldet das Radar Gewitterzellen. Der Wind nimmt zu und wĂŒhlt das Meer auf. Doch der Wind bringt uns natĂŒrlich auch gut voran. Um so schneller wir nach Ost kommen, um so schneller kommen wir eben auch aus den unbestĂ€ndigen Winden um Neuseeland herum heraus.
Die ersten heftigeren Wellen spĂŒlen ĂŒber das Deck und dann rauscht es auch schon in der Kabine. Durch die LĂŒfter kommt ein Schwall Wasser, als hĂ€tte jemand einen Eimer Wasser ausgekippt. Meerwasser tropft noch von der Decke, Treppe und dem Navi-Tisch, hat sich auf Sitzpolster und Kabinenboden verteilt, tropft ab in die Bilge. Wir haben vergessen, die LĂŒfter abzudecken. Irgend etwas vergisst man immer. Ein paar HandtĂŒcher und der Schaden ist schnell behoben. Allerdings ist es kein VergnĂŒgen, bei dem Seegang die LĂŒftungshörner abzuschrauben und dann mit den Verschlussdeckeln dicht zu machen.

Nach zwei Tagen auf See geht uns schon wieder die Zeitrechnung verloren. Welcher Tag ist heute? Datum? Die mehrmals tĂ€glich gesendeten Positionsmeldungen an Familie und Freunde geben Aufschluss. Wir verzichten auf der Reise nach Tonga darauf, die reale Zeit anzupassen. Zuviel Rechnerei. Zweimal ĂŒberfahren wir diesmal die Datumsgrenze. Einmal östlich von Neuseeland, dann kurz vor Tonga, die die Datumsgrenze fĂŒr sich ‚verbogen‘ haben. Dazu kommt, das Tonga eine Stunde vor Neuseeland liegt. Das werden wir jedoch erst nach unsere Ankunft glĂ€tten.

Unsere eigentliche Zeitrechnung sind jedoch die Seemeilen. Wieviele haben wir zurĂŒck gelegt? Wieviele sind es noch bis zum Wendepunkt und spĂ€ter dann, wieviele Meilen sind es bis Tonga? Wind und Wetter bestimmen unsere Zeit, die Wolken ĂŒber uns, die Bewegungen des Pacifics um uns herum. Kein Land weit und breit zu sehen. Frei atmen, die Sonnenstrahlen genießen, den Wind an der Nasenspitze spĂŒren. Unbeschreiblich schön und befreiend.
Was fehlt den Menschen, die sich unwohl fĂŒhlen, wenn sie kein Land mehr sehen? Der feste unbewegliche Bezugspunkt im Blickfeld? BestĂ€ndige UnverĂ€nderbarkeit? Der Halt? Das sich selbst vertrauen und genug sein? Wir können diese Fragen nicht beantworten, denn wir genießen diesen bewegten Blick um uns herum. Keine Sekunde ist der Ausblick gleich. StĂ€ndig verĂ€ndert er sich: Licht, Sonne, Wolken, sanfte DĂŒnnung, spielerisch kippende WellenkĂ€mme, manchmal tobendes Spiel zwischen Wind und Wellen und darĂŒber schnell dahintreibende Wolken, mal in weiß, manchmal im dĂŒsteren grauem Gewand. Hermann liebt die mondhellen und die sternenklaren NĂ€chte im Cockpit, wo er mit einem frischen heißen Becher Tee in der Hand in den Himmel und in die Sterne sehen kann, ĂŒber das Meer schaut und es in sich aufnimmt. Hilde mag die Morgen, wo sie die Neugierde ins Cockpit treibt: wie sieht das Meer heute aus? welches Schauspiel erwartet mich? Es ist immer anders, immer ĂŒberraschend, immer fantastisch schön.

So eine Reise ist nie langweilig. Überraschende und bezaubernde Erlebnisse bringen immer wieder Abwechslung. An einem Nachmittag sitzt Hilde allein im Cockpit. Es ist recht gemĂŒtlich in der Sonne und Fleecedecke und -Jacke schĂŒtzen vor dem frischem Wind, der den kalten Hauch von Neuseelands Winter mit sich sich trĂ€gt. Die Möwen gleiten auf Ihrer bestĂ€ndigen Suche nach Nahrung ĂŒber das Meer und hĂ€ufig auch ganz dicht ĂŒber PACIFICO. Ganz unverhofft landet eine kleine Schwalbe mit einem freundlichem zwitschern im Cockpit auf der Bank hinter dem Ruder, schaut sich um und setzt sich bei Hilde auf die Knie. Ganz zutraulich. Schaut sich um und befindet wohl den Platz auf der Jackenkapuze, also Hildes Kopf fĂŒr angenehm zum ausruhen. Er bleibt bis die BerĂŒhrung der forschenden Hand ihn aufstört. Dreht eine Runde um PACIFICO und wĂ€hlt diesmal die Winsch unter der Sprayhood als Ruheplatz. Es dauert eine ganze Weile, sein Gefieder hat er inzwischen ausfĂŒhrlich geputzt und wohl auch ein wenig geschlafen. Wieder ein freundliches Gezwitscher und dann ist er verschwunden. Was macht so ein kleiner Vogel, kaum ein Handvoll groß, wohl hier mitten In der WasserwĂŒste, hunderte von Meilen weg vom Land?

Unser aufregendstes Erlebnis ist mal wieder die Angelei. Aus Deutschland haben wir eine Hightech Angelleine mitgebracht. DĂŒnn, aber stark. Jetzt passen wieder 270 Meter Angelsehne auf die Rolle und nicht nur 80 Meter, wie bei der letzten stĂ€rkeren Leine. Und in Whangarei gab es kurz entschlossen (oder nach lĂ€ngerem ErwĂ€gen?) eine neue stĂ€rkere Angelrute. Die Angel wird jeden Morgen ausgeworfen und erst in der DĂ€mmerung wieder eingezogen. Jedes tickern der Rolle, wenn die Sehne etwas mehr auslĂ€uft, lĂ€sst uns aufhorchen und in Bereitschaft geraten. EnttĂ€uschung, wenn sich dann nur Seetang oder MĂŒll am Haken verfangen hat. Oder ein Fisch dran ist, sich aber befreien kann, bevor wir ihn auch nur gesehen haben. Nach wenigen Tagen sind wir schon leicht frustriert. Immer noch kein Fisch. Nur, man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben. Und schon scheint es diesmal zu klappen. Hermann kann die Angel mit dem sich wehrenden Fisch einziehen, ohne das wir alle Fahrt aus PACIFICO nehmen mĂŒssen. Als wir den Fisch endlich an Bord haben, ist es ein etwa vier Kilo schwerer kleiner Thunfisch. Hilde möchte keinen Thuna. Zu trocken. Und fĂŒr einen Thuna ist er eben auch noch sehr klein, so dass sich einkochen, zum Beispiel fĂŒr Pizzabelag, auch nicht lohnt. So geht er recht lebendig und vom Haken aus der Stirn befreit zurĂŒck in sein Element. Allerdings ist er nicht so gnĂ€dig, uns einen anderen Fisch zu schicken. Naja, der Ozean ist groß und vielleicht braucht er ein paar Tage.
Hermann hat nachmittags ein StĂŒndchen geschlafen und wir sitzen jetzt im Cockpit und bewundern die Regenbögen vor dĂŒsteren dunklen Wolken im Osten. ‚Die‘ Regenbögen, denn es sind zwei, die sich ĂŒbereinander in ihrer ganzen Farbpracht leuchtend stark und formvollendet prĂ€sentieren. Der untere taucht sogar ins Meer und spiegelt sich bis wenige Meter vor PACIFICO im Wasser. Ob dort unten auf dem Meeresboden ein Goldtopf steht? Wohl eher ein Goldfisch, denn unversehens rauscht die Angel aus. Als Hermann sich an die Angel stĂŒrzt, wissen wir noch nicht, das der Fisch uns die nĂ€chsten eineinhalb Stunden in Atem halten wird. Er zieht und kĂ€mpft mit aller Macht. Immer wieder ĂŒberwindet er die Bremse der Angelrolle und zieht Leine, die Hermann gerade er mĂŒhsam eingerollt hat. Die Rute ist kaum zu halten, so dass sich Hermann auf das Deck setzen muss und seine FĂŒĂŸe gegen die Reling stemmt. Wind und Wellen machen die Aktion nicht gerade leichter. Schließlich holen wir die Genua ein, so dass PACIFICO relativ ruhig in den Wellen liegt und keine Fahrt mehr macht. Zwischendurch ĂŒbernimmt Hilde Hermanns Platz und die Rute. Zentimeter um Zentimeter ziehen wir den Fisch heran. Nach einer Stunde sehen wir erstmals seine Silhouette im Wasser aufleuchten. Wieder kein MahiMahi. Aber was ist es dann? Ein Hai? Nein, kann nicht sein. Aber es ist auch kein Thuna. Soviel ist schon mal klar. Immer nĂ€her ziehen wir ihn an der Angel heran, bis wir ihn schließlich mit dem Gaffhaken an Bord holen. Boooooaaahh!!!!
Vor uns liegt auf dem Sonnendeck ein 150 cm langer und 30 kg schwerer Wahoo. Unser grĂ¶ĂŸter Fang bisher und wirklich mehr als wir essen können. Wir schneiden gut 13 Kilo Filet aus dem feinem Speisefisch. Einen Teil davon werden wir die nĂ€chsten Tage essen, ein paar Kilo werden eingekocht und ĂŒber die andere HĂ€lfte freuen sich in Tonga zwei Taxifahrer am Hafen und der Mann von der Bio Security.

Der Wind ist mit uns. Kaum vierundzwanzig Stunden hinter uns macht sich ein Hoch breit und lĂ€sst den Wind in dem Gebiet einschlafen. Das hĂ€tte fĂŒr uns Flaute bedeutet und zusĂ€tzliche Tage bis zur Ankunft. So segeln wir bei halben bis achterlichen Winden Richtung Norden dahin. Im schneller. Am Sonntag, dem 1. Mai, weht es den ganzen Tag schon mit um die 20 Knoten und nachts soll es noch mehr werden und dann bis Montag Abend mit 25 bis 30 Knoten wehen. Wenn es also so weiter geht, sind wir morgen schon da und nicht erst, wie vor zwei Tagen prognostiziert, am Dienstag Morgen. Dann mĂŒssen wir aber auch wirklich so schnell bleiben wie jetzt. Das bedeutet mindestens 6 Knoten Geschwindigkeit, besser mehr, um ein Tagesetmal von 150 bis 160 Meilen zu erreichen. Ziel ist es bei Tag anzukommen. Nachts wĂ€re die Ankunft bei den Riffen um Tongatapu herum zu gefĂ€hrlich.
Bei Einbruch der Dunkelheit reffen wir noch einmal. Großsegel und Genua im zweiten Reff und trotzdem laufen wir noch ĂŒber 8 Knoten Geschwindigkeit. Trotz des Windes bleibt die Höhe der Wellen zunĂ€chst eher auf geschĂ€tzten moderaten 3 Metern. Die Nacht auf Montag ist entsprechend unbequem, doch haben wir es schon schĂŒtteliger erlebt.
Montag morgen gegen sechs Uhr schlĂ€gt eine Welle gegen das Ruder und drĂŒckt PACIFICO quer zum Wind in SchrĂ€glage. Hilde schiesst, noch im Halbschlaf im Bett, ungebremst durch die Schlafkabine und landet samt Matratze und Bettzeug, also gut gepolstert, vor Hermanns Bett auf dem Boden. Völlig geschockt horche ich auf die GerĂ€usche vom Boot. Alles gut, PACIFICO ist wieder im Lot. Doch was ist Hermann passiert, wenn ich schon so durch die Kabine geschossen bin? In leichter Panik rappele Ich mich also auf und stĂŒrze in die KĂŒche, um nachzusehen. Hermann schaut lĂ€chelnd um die Ecke, als wenn nichts wĂ€re gewesen wĂ€re. Er hat am Navi Tisch gesessen und den Computer gerettet. Bevor wir weiter zum Spielball der Wellen werden, hat er auch schon das Ruder wieder auf Kurs gebracht. Alles gut. Nur Hilde braucht etwas Zeit um langsam wieder ins Lot zu kommen 😉
Der Montag beginnt also stĂŒrmisch und bleibt es, wobei in Böen bis zu sieben WindstĂ€rken ja noch kein Sturm sind. Die Wellen werden immer höher, geschĂ€tzte drei bis dann doch eher vier Meter. Eine weitere Welle schiebt unser Heck herum, bringt uns leicht in SchrĂ€glage. Das Kajak, dass außen an der Reling angegurtet ist, wird ins Wasser gedrĂŒckt. Die Schnallen der Gurte halten dem Druck nicht stand und werden auseinander gedrĂŒckt. Das zusĂ€tzlich noch vertĂ€ute Kajak hĂ€ngt jetzt aussenbords und wird bei einer Geschwindigkeit von ĂŒber 8 Knoten mitgezogen. Fragt sich, wie lange das gut gehen kann und die Halteschlaufe am Kajak das aushĂ€lt. Also muss es irgendwie zurĂŒck an Bord. ‚Und das bei dem Seegang!!! ‚denkt Hilde. Über die Bordwand besteht keine Chance. Also verbringt Hermann das Kajak ans Heck und kann es ĂŒber die Badeplattform an Bord ziehen. So etwas nennt man dann Resourcen retten.
Wir rauschen nur so dahin und hoffen Tonga am frĂŒhen Nachmittag zu erreichen. Erst als wir direkt vor der Piha-Passage sind, entscheiden wir uns diesen kĂŒrzeren Weg nach Nuko Alofa, Tongas Hauptstadt und Einklarierungshafen, zu nehmen. Wir werden damit mögliche Turbulenzen durch Tide und heute sehr hohem Pacific Schwell in Kauf nehmen, sparen aber mindestens drei Stunden Fahrzeit
Um 16.00 Uhr unserer Zeit, also 17.00 Uhr Tongazeit gehen wir vor dem Pangaimotu (Motu: Inselchen), also noch bei Tageslicht, vor Anker gehen. Die Behörden haben bereits Feierabend. Wir feiern unsere Ankunft mit einem leckeren Essen, also entsprechend unserem Geschmack kein Fisch sondern Steak.

Heute, am Dienstag, regnet es. Die vorhergesagten sieben WindstĂ€rken scheinen auszubleiben. Als wir die Hafenbehörden ĂŒber VHF anrufen, meldet sich dort niemand. Auch lĂ€sst sich niemand sehen, als wir am QuarantĂ€ne Pier festmachen, nur die Taxifahrer. Doch gut, wenn man sich auskennt. Also marschiert Hermann mit Schiffspapieren und PĂ€ssen los, um uns einzuchecken. Dort ist man sichtlich genervt, dass die Segler wieder kommen und man arbeiten muss. Hermann nimmt es gelassen. Kurz nachdem er die Migration und Zoll erledigt hat und wieder an Bord ist, kommt auch der Mann von der Bio Security an Bord. Der ist weit weniger streng, als die die Vorschriften und so ist alles ganz entspannt. Wir mĂŒssen nichts von unseren frischen Lebensmitteln an Bord abgeben. (Wahrscheinlich deshalb, weil Hermann die Frage danach schlicht ĂŒberhören wollte und der Beamte keine Lust hatte, sich mit vermeintlich mangelnder Sprachkenntnissen und VerstĂ€ndnisschwierigkeiten auseinander zu setzen. )
Nachdem mit dem QuarantĂ€ne Beamten alles offizielle erledigt ist, gibt es noch etwas Smalltalk. Wir erzĂ€hlen von dem Wahoo und wie wir ihn geangelt haben. Da wir immer noch mehr als reichlich davon ĂŒbrig haben, fragen wir, ob wir ihm ein gutes StĂŒck davon schenken dĂŒrfen. Hoch erfreut nimmt er das große StĂŒck Filet entgegen, greift sofort in die TĂŒte und reißt sich ein StĂŒck von dem rohen Fisch ab. Das rohe Fleisch schiebt er sich in den Mund, kaut genĂŒsslich und ist entzĂŒckt von dem gutem Geschmack und wie frisch der Fisch ist. Er bittet um einen Teller, ein Messer und Salz, weil er doch gleich hier an Ort und Stelle noch etwas von dem köstlichen Fisch essen möchte. Wir sind leicht sprachlos. Allerdings hatte auch der Taxifahrer, der gestern schon ein StĂŒck und dem Filet bekommen hatte, sich heute morgen noch einmal dafĂŒr bedankt und auch etwas in der Richtung gesagt, wie gut doch dieser Fisch roh geschmeckt hatte. 😅

So, nun sind wir wirklich in Tonga angekommen, ganz offiziell und mit einem drei-Monate-Visum. Letztes Jahr durften wir nur einen Monat bleiben laut Visum. Hat es geholfen, dass Hermann denen erzÀhlt hat, wie gut es uns hier auf den Friendly Islands gefÀllt?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert