Archiv fĂŒr den Tag: 15. April 2015

Chile – KanĂ€le von Puerto Aguirre bis Port Montt – Abgeschiedenheit und Lachsfarmen- vom 5.4. bis 13.4.2015

Mit dem ersten Tageslicht machen wir uns auf, um unsere nĂ€chste Etappe, Puerto Aguirre, zu erreichen. Es verspricht ein wunderschöner und zunĂ€chst fast windstiller Tag zu werden. Wir sind froh, das Yan, der Motor, wieder einwandfrei lĂ€uft und es hier keine weiteren Probleme gibt. Die aufgehende Sonne beschert uns kontrastreiche, farbenprĂ€chtige Bilder dieser Fjordlandschaft. Im ersten Sonnenlicht leuchtende Berge, fast schwarze Inseln, wo das Licht noch nicht hinreicht, das Wasser ein goldener Spiegel, darĂŒber der Vollmond, der langsam blasser wird. Wir fahren an den ersten Lachsfarmen vorbei, die fĂŒr uns auch die ersten Anzeichen der Zivilisation sind. Ein paar Meilen vor uns können wir immer wieder weiß aufspritzende Gischt sehen. Als wir nĂ€her kommen, erkennen wir, dass das meterhoch aufspritzende Wasser von springenden Lachsen verursacht wird. Ob die wohl aus einer der Fischfarmen ausgekniffen sind und hier ihre gewonnene Freiheit genießen??? 😉

Puerto Aguirre liegt, wie Puerto Eden, auf einer Insel, umgeben von einer ganzen Anzahl grĂ¶ĂŸerer und kleinerer Inseln. Auf der benachbarten Insel ist der Friedhof des Dorfes angesiedelt. Die Einwohnerzahl ist in unserem FĂŒhrer mit 1.200 angeben. Also schon 9 mal so gross wie Puerto Eden. Auch hier gibt es keinen wirklichen Hafen. An der Pier, an dessen Anfang das GebĂ€ude der Armada (Prefectura) liegt, liegen kaum Boote. Nach RĂŒcksprache mit der Armada dĂŒrfen wir fĂŒr die Nacht dort neben einem kleinen Fischerboot festmachen. Es geht gerade mal so, dass wir wĂ€hrend der Ebbe nicht aufliegen und nur das Ruder etwas aufkommt. Da jedoch kein stĂ€rkerer Wind oder ĂŒberhaupt schlechtes Wetter zu erwarten ist, machen wir uns hier keine Sorgen.

Erwartungsvoll gehen wir an Land. Ob wir heute Abend in einem Restaurant essen??? Wir erkundigen uns nach den Möglichkeiten bei Leuten, die neugierig am Pier nach PACIFICO blicken. Bald wissen wir: kein Internet, kein Geldautomat, kein Restaurant! Und nur wenige Einkaufsmöglichkeiten und die auch nur eingeschrĂ€nkt, weil heute Ostersonntag ist. Also werden wir auch heute auf unsere VorrĂ€te zurĂŒckgreifen mĂŒssen und nicht Essen gehen 🙁
Auf unserer Erkundungstour machen wir ein kleines geöffnetes GeschĂ€ft ausfindig, indem wir Möhren und einen Blumenkohl (den einzig verfĂŒgbaren) kaufen, in einem weiteren dann ein paar Orangen und ein tiefgefrorenes Huhn fĂŒr Frikassee. Also doch etwas Abwechslung in unserer Speisekarte 🙂
Die HĂ€user des Dorfes sind ĂŒberwiegend aus Holz, gedeckt von BlechdĂ€chern, farbenfroh gestrichen. Manche HĂ€user mit neuen Fenster, andere, wo gesprungene Scheiben notdĂŒrftig verklebt sind. Fensterglas ist offenbar Mangelware. Es gibt Straßen und Autos. Nach der Erfahrung mit Puerto Eden fĂŒr uns gar nicht mehr so selbstverstĂ€ndlich. Uns es gibt GĂ€rten und Blumen. Vielleicht nicht sonderlich gepflegt und kein englischer Rasen, aber wir sehen Dahlien, Ringelblumen, Iris und auch Rosen. Ein Anblick, der seit Mar Del Plata ausgesprochen selten ist. Es gibt eine Kirche, wie in jedem Dorf. In Puerto Eden hatte die Kirche zwar den Eindruck gemacht, als wĂ€re sie lange nicht besucht worden, aber auch dort gab es vor dem GebĂ€ude mit Blumen geschmĂŒckte FischeraltĂ€re.

Es gibt viele Fischfarmen rund um Puerto Aguirre. Dies geht auch noch bis Port Montt so weiter und begrenzt dadurch unsere Ankermöglichkeiten, wo wir bisher keine EinschrÀnkungen erfahren haben. Ein junger Fischer erzÀhlt uns vor unser Weiterreise, das hier im Jahr so zwischen 300.000 und 500.000 to Lachse gefangen werden. Die Haupteinnahmequelle der hier lebenden Menschen.

Auf dem Kanal Ferronave geht es am nĂ€chsten Tag weiter nach Norden. Da der Wind mal wieder nach Nord drehen soll, beschließen wir die Nacht durch zu fahren um vorher möglichst viel Strecke zu machen. Unsere Zarpe, die Genehmigung zum befahren der KanĂ€le, lĂ€uft am 10.04.2015 aus. An dem Tag sollen wir spĂ€testens um 20.00 Uhr in Port Montt sein und uns bei der Armada gemeldet haben. Bis zum Morgen wollen wir die Insel Chiloe erreichen und dann sehen, ob der Wind noch eine Weiterfahrt zulĂ€sst. In den frĂŒhen Morgenstunden, wĂ€hrend es inoch lange dunkel ist, hören wir immer wieder mal, wie etwas gegen die Bordwand stĂ¶ĂŸt, können jedoch, wenn wir nachschauen, nichts erkennen. Und es ist zu wenig Seegang, als das es Wellen sein könnten. Plötzlich bremst etwas nachhaltig die Fahrt von PACIFICO und blockiert sogar das Ruder. Im Licht der Taschenlampen sehen wir uns die Bescherung an: Kelb (dickfleischige Meerespflanze, die mehrere Meter lange und bis zu armdicke „Zweige“ hat). Wir sind in ein großes treibendes Kelbfeld gefahren. Etwas, das wir in den letzten Wochen immer erfolgreich versucht haben, zu vermeiden. Nun hĂ€ngt der Kelb unter PACIFICO und hat sich vor allem am Ruder verfangen. Wir stellen den Motor ab und treiben, wĂ€hrend wir mit Machete und Enterhaken versuchen PACIFICO wieder frei zu bekommen. Wir brauchen ĂŒber ein halbe Stunde, bis wir das KnĂ€uel soweit zerschnitten haben, dass das Ruder wieder gĂ€ngig ist und den Motor wieder starten können. Die Weiterfahrt in der Dunkelheit ist geprĂ€gt von der Anspannung, in kein weiteres Kelbfeld zu fahren, die in Mengen und unterschiedlichen GrĂ¶ĂŸen hier im Wasser treiben. So angespannt, dass wir im ersten Moment erschrecken, als es im Wasser an der Backbordseite platscht! Delfine 🙂 auch in der Dunkelheit begleiten sie uns und tauchen immer wieder neben uns und am Bug auf.

Erst als der stĂ€rker gewordene Nordwind mittags die Weiterfahrt nicht mehr zulĂ€sst, gehen wir in Puerto Quellien auf der Insel Chiloe vor Anker. Dort melden uns wir uns lediglich ĂŒber Funk bei der örtlichen Armada und verzichten auf den Landgang, da hier nicht viel sehenswertes zu erwarten ist. Statt dessen holen wir den fehlenden Schlaf der vergangenen Nacht nach und warten darauf, dass der Wind nachlĂ€sst oder vielleicht sogar dreht. Da eine Unterwand (eines der Stahlseile, die den Mast halten) im Golfo de Penas gebrochen ist, können wir nicht mehr unter allen Bedingungen segeln. Wir wollen keinen Mastbruch riskieren und laufen deshalb meist unter Motor. In Port Montt wird die Want dann fĂŒr unsere Weiterreise instand gesetzt.

Auch kurze Strecken lohnen sich. Mittlerweile gehen wir nicht mehr davon aus, pĂŒnktlich in Port Montt anzukommen, und wollen die restliche Strecke dann eben in kleineren Etappen machen. Also geht es am nĂ€chsten Nachmittag, als der Wind gegen 14.00 h nachlĂ€sst, auf zur Insel Alao. Es sind ungefĂ€hr 15 Meilen bis dort hin und damit gut 3 Stunden Fahrtzeit. Die Inselwelt, durch die wir hier segeln, lĂ€sst OstseegefĂŒhle aufkommen. Die SteilkĂŒste nördlich von Kiel? Die dĂ€nische SĂŒdsee? Leicht hĂŒgelige grĂŒne Inseln, mit bunten HĂ€usern, WeideflĂ€chen mit Schafen und Rindern. Dazu moderatere Temperaturen bis um die 20 Grad. Wir fĂŒhlen uns in eine ganz andere Welt versetzt, als wir es in den letzten Wochen erlebt haben.

Wir ankern abends in einer kleinen Bucht neben einer Fischfarm. Am Ufer stehen HĂŒtten, hinter den BĂ€umen können wir ein Haus erkennen, weiter oben, auf dem HĂŒgel, ein weiteres. Der Abend ist sonnig und warm. In der Bucht ist es windstill. Als wir im Cockpit beim Abendessen sitzen, sehen wir, wie jemand zum Strand herunter kommt und sein Ruderboot ins Wasser schiebt. Wir bekommen Besuch. Antonio heißt er und wohnt hier wohl schon sehr lange. Wo wir herkommen, wohin wir wollen …. ? Wir fragen ihn nach frischen Eiern, da wir HĂŒhner gesehen haben, und frischem GemĂŒse. GemĂŒse hĂ€tte er nicht fĂŒr uns, aber ein Dutzend Eier, das könnte sein. Er rudert zurĂŒck an Land. Kaum eine halbe Stunde spĂ€ter ist er wieder neben uns. Er bringt uns 4 Kartoffeln und die versprochenen Eier. Wir haben inzwischen genĂŒgend Kleingeld zusammen gesammelt, um es ihm möglichst passend bezahlen zu können. Wir gehen ja davon aus, das er hier, in dieser Abgeschiedenheit, nicht auch noch Wechselgeld dabei hat. Und was wir nun erleben, geht uns noch lange ziemlich unter die Haut. Wir fragen ihn, was es denn kostet – wieviel wir bezahlen sollen. Geld?! „Habt ihr vielleicht Lebensmittel?“ fragt uns Antonio. „Vielleicht sogar Konserven?“ Wir sind erstaunt. Damit haben wir nun gar nicht gerechnet. Bei den Fischern hatten wir Wein als Gegengeschenk gegeben. FĂŒr uns noch nachvollziehbar. Aber Lebensmittel? Wir geben ihm ein Kilo Mehl, ein Paket Nudeln, ein Kilo Reis und ein halbes Pfund Kaffee. Konserven haben wir leider nicht. Antonio strahlt uns an. Die Geste zum Himmel, die er macht und dabei Herrmann ansieht, mag jeder fĂŒr sich selbst deuten. Und zum Schluss fragt er noch, ob wir denn einmal irgendwann wieder hierher kommen. Wie bei alten Freunden. Über dieses Erlebnis und Antonio werden wir noch lange und immer wieder mal reden.

Unsere nĂ€chste Etappe ist die Isla Mechuque. Gegen 13.00 h kommen wir am nĂ€chsten Tag hier an. In dem kleinen Ort dort, soll man bei den Fischern manchmal gerĂ€ucherten Lachs bekommen können. Wir wollen auf jeden Fall danach fragen. Also gehen wir in der kleinen Bucht, in der noch andere Fischerboote liegen, vor Anker. Aber als wir den Halt des Ankers ĂŒberprĂŒfen, merken wir das PACIFICO durchaus nicht auf der Stelle verbleibt, sondern in der tat langsam rĂŒckwĂ€rts in Richtung Strand und andere Boote fĂ€hrt. Also ein zweiter Versuch. Doch auch diesmal hĂ€lt der Anker nicht. Weitere Versuche sparen wir uns und fahren in Richtung der nĂ€chsten Ankermöglichkeit am sĂŒdlichen Teil der Insel. Die ist aber keineswegs, wie wir dann feststellen, vor dem herrschenden Nordwind geschĂŒtzt. Wenn wir jetzt hier nicht Ankern können, liegen die nĂ€chsten brauchbaren Alternativen so weit entfernt, dass wir womöglich in die Dunkelheit kommen. Wir schauen noch einmal in unsere BĂŒcher, ob wir nicht doch etwas nĂ€her gelegenes finden. TatsĂ€chlich gibt es dann noch am östlichen Ende der Insel eine weitere Möglichkeit, die nur wenige Meilen entfernt ist. Wir erreichen diese Bucht wenig spĂ€ter und hier hĂ€lt der Anker dann auch tatsĂ€chlich. Im Seegras!!! wie wir beim ankerlichten am nĂ€chsten Morgen feststellen. Egal. Es war so wenig Wind, das keine Gefahr bestanden hĂ€tte.
Im Licht des erwachenden Tages fahren wir durch die links und rechts von HĂ€usern und HĂŒtten gesĂ€umte Insellandschaft, bis wir dann das offene Wasser erreichen und Kurs auf das Festland nehmen.

Mit erreichen der Insel Chiloe hatten wir Patagonien hinter uns gelassen. Jetzt sind es noch zwei Segeltage bis Port Montt. Es fĂŒhlt sich fĂŒr uns komisch an, nach der Abgeschiedenheit Feuerlands und Patagoniens wieder in bewohnten Gebieten zu sein. Und wir sind uns nicht sicher, ob wir uns wirklich freuen, dass diese Zeit vorbei ist. Wir sprechen davon, diese Reise noch einmal zu machen. DarĂŒber was wir anders machen wĂŒrden, aufgrund unserer jetzigen Erfahrungen. Dazu gehört ganz klar das Thema Heizung. Und es vielleicht den anderen Weg herum zu machen, so das man mit dem Wind unterwegs ist und nicht stĂ€ndig gegen an motoren muss. Und das man sich mindestens vier bis sechs Monate Zeit nimmt.

An diesem Freitag ist Wind und Wetter fĂŒr uns so gut, dass wir bereits mittags, unsere geplante vorletzte Etappe erreichen. Zu frĂŒh, wie wir finden. Wir könnten bei diesen Bedingungen bis heute Abend in Port Montt sein. Also fahren wir kurzer Hand weiter und erreichen Port Montt „Zarpe “ – pĂŒnktlich am Freitag, den 10. April um 18.00 h. Seid wir in Puerto Williams losgesegelt, haben wir uns nur zwei nicht witterungsbedingte Tage Aufenthalt genommen: im Seno Pia die Besichtigung der kalbenden Gletscher und in der Caleta Mostyn einen Tag fĂŒr die Reparatur der Heizung. Ansonsten haben wir jede Möglichkeit genutzt voranzukommen. Wir sind nur zweimal nachts gesegelt. Das wĂŒrden wir auch rĂŒckblickend nicht anders machen. Zum einen, weil man nachts nichts von dieser wunderbaren Natur sieht, und zum anderen ist aus unserer Sicht die Strecke nachts zu gefĂ€hrlich. GrĂŒnde hierfĂŒr sind nicht immer vorhandene Seezeichen, die GPS-Kartenabweichungen, die es immer wieder gegeben hat, treibende große Eisschollen, mit den wir nicht unbedingt kollidieren wollten und nicht zu letzt die treibenden Kelbfelder, die einen doch erheblich behindern können, wie wir jĂŒngst erfahren haben.

Wir haben gemĂ€ĂŸ unserer BĂŒcher in Port Montt die Auswahl zwischen mehreren Marinas mit unterschiedlichem Angebot zu unterschiedlichen Preisen. Wir entscheiden uns fĂŒr die teuerste Variante, die Marina del Sur. Hier soll der Service am Besten sein. Da wir in Buenos Aires die Erfahrung gemacht haben, das auch Taxi-Kosten fĂŒr Erledigungen sich schnell summieren können, denken wir, dass es sich letztendlich rechnen wird. Wir rufen die Marina per Funk an. Eine viertel Stunde spĂ€ter weist uns ein Mitarbeiter einen Liegeplatz zu. Drei Leute helfen uns beim anlegen und wenig spĂ€ter ist unsere kaputte Genua bereits auf dem Weg zur Reparatur. Ein Dreher wird am nĂ€chsten Montag kommen, um die gebrochene Want in Ordnung zu bringen. Ebenso wird am Montag ein Techniker kommen, um unseren KĂŒhlschrank zu reparieren. Und kaum eine Stunde spĂ€ter nimmt uns jemand mit und setzt uns vor einem Restaurant ab. Hier feiern wir unsere Ankunft in Port Montt. Es fĂŒhlt sich immer noch etwas unwirklich an, jetzt wieder unter Menschen zu sein.
Wir verbringen unsere Tage mit EinkĂ€ufen und Vorbereitungen fĂŒr die Reise in die SĂŒdsee. Die WĂ€sche können wir direkt in der Marina waschen und trocknen. Entsprechende Maschinen stehen dort bereit. Die Gasflasche wird gefĂŒllt und wieder zu uns Bord gebracht. Es wird jede Hilfestellung gegeben, die wir irgendwie benötigen. Wir sind schon gespannt, was uns der ganze Service Kosten wird, wenn wir am Freitag nach der Rechnung fragen :-)))
Aber bis dahin ist noch einiges zu tun, denn der nĂ€chste Abschnitt wird fĂŒnf bis sechs Wochen auf See bedeuten, wenn wir ĂŒber die Islas Fernandes (Robinson-Crusoe-Insel) nach den Marquesasinseln segeln.